Die Visuelle Analogskala (VAS) im Fragebogen
Die Einführung und Verbreitung von digitalen Tools für Online-Fragebögen sorgt dafür, dass Kontinuierliche Antwortformate zunehmend beliebter werden. Früher, als Umfragen noch klasssich mit Papier erfolgten, waren Effekte wie „Schieberegler“ nicht ohne weiteres realisierbar. Wann aber eignen sich Analogskalen in Umfragen?
Um bei schriftlichen Umfragen beliebige und undifferenzierte Antworten zu vermeiden, werden im Fragebogen oft Antwortkategorien vorgegeben. Kategorien schränken die Antwortmöglichkeiten ein, mitunter fühlen Befragte sich sogar beengt oder sind der Meinung, sich nicht exakt ausdrücken zu können. Das gilt auch für ordinalskalierte Antwortkategorien (Beispiel: Bewertung der Intensität eines Sachverhalts mit den Abstufungen gar nicht – eher nicht – etwas – sehr stark). Eine Möglichkeit, die Beschränkungen zu umgehen, ist die Verwendung einer sogenannten Analogskala (exakt: Visuelle Analogskala, kurz VAS, gelegentlich auch Kontinuierliches Antwortformat genannt). Bei Analogskalen werden die Antworten auf einem formalen Kontinuum abgebildet, das an beiden Enden mit Ankerwörtern markiert wurde.
Zahlreiche kommerzielle Online-Tools bieten die Möglichkeit, eine Visuelle Analogskala mit Schieberegler in einen Online-Fragebogen einzubauen. Die nachstehende Abbildung zeigt ein reales Beispiel einer Analogskala mit elf Kategorien aus einer aktuellen Online-Umfrage (GLES-Wahlkampfstudie 2022). Auf den ersten Blick wirkt sie wie eine konventionelle Ordinalskala vom Likert-Typ, jedoch mit mehr Kategorien und es lediglich die Randkategorien sind mit Bezeichnungen markiert (bei der Likert-Skala wird jede Kategorie bezeichnet).

Obwohl das Kontinuum einer Visuellen Analogskala begrenzt ist (zum Beispiel von 0 bis 100) kann sie im Allgemeinen als Intervallskala akzeptiert werden. Das ist ein wesentlicher Vorteil einer Analogskala. Die Praxis zeigt, dass auch ordinalskalierte Antwortformate mit mehreren Kategorien (zum Beispiel von Null bis Zehn, also insgesamt elf) als Analogskala akzeptiert und als solche in der Auswertung behandelt wird (also wie eine Intervallskala). Zudem können mit einer Analogskala kleinere Unterschiede im Antwortmuster gemessen werden als mit konventionellen Ordinalskalen, wo die Abstände in vielen Anwendungsszenarien oft nicht äquidistant sind. Ob derart differenzierte Antworten durch eine Analogskala jedoch wirklich Erkenntnisgewinn bringen, hängt vom Untersuchungsgegenstand und theoretischen Kontext ab.
Visuelle Analogskalen können zum Beispiel nützlich sein bei ethnisch gemischten Stichproben. So wählten die Forscher einer Studie, die Unternehmen in den USA, China und Japan befragten, für ihre Umfrage eine 11-stufige Analogskala von Null bis Zehn mit dem Argument, sie würde interkulturell besser verstanden als die in Nordamerika üblichen Skalen von 1 bis 6 oder 1 bis 7 (W. DeSarbo und Co-Autoren im Strategic Management Journal 2005). Dagegen sollten Analogskalen vermieden werden, wenn die zu Zielgruppe Verständnisprobleme hat (zum Beispiel ältere Menschen als Patienten mit Schwierigkeiten bei der Selbsteinschätzung der Schmerzintensität, wenn dafür VAS verwendet werden). Außerdem können die Aussagekraft und Interpretation von Antwortdaten auf Grundlage einer Analogskala geschmälert werden. So wurde in einer Studie beobachtet, dass die Respondenten den äußeren Kategorien einer Visuellen Analogskala einen schmaleren Einstellungsbereich als mittleren Kategorien zuwiesen (Randkategorien käme demnach ein größeres Gewicht zu als inneren Kategorien), das heißt bei der Interpretation von Antworthäufungen in Bereichen der Randkategorien ist eine Wahrnehmungsdiskrepanz möglich (F. Funke, Online- und Offline-Vergleich von Visuellen Analogskalen mit 4- und 8-stufigen Likert-Skalen in einem Fragebogen für soziale Gruppen, 2006). Potenzielle Limitationen und ihre nachteiligen Effekte auf die Auswertung sollten je nach Untersuchungsgegenstand, Forschungsfrage, Hypothese etc. in der Fachliteratur vorab gründlich recherchiert werden.
Lesen Sie hier weiter, wie Visuelle Analogskalen mit SPSS statistisch ausgewertet werden können.